Erbschaftsteuerbegünstigung gilt auch für einen fiktiven Nießbrauch
Erbschaftsteuerbegünstigung gilt auch für einen fiktiven Nießbrauch
Schenkungen erfolgen vielfach unter Vereinbarung von Widerrufsklauseln. Soweit der Widerruf wirtschaftlich nicht rückwirkend greift, wird nach § 29 Abs. 2 ErbStG der Erwerber für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, wie ein Nießbraucher behandelt (fiktiver Nießbrauch). Mit Urteil vom 19.03.2025 (Az. II R 34/22) klärt nun der BFH die Wirkung dieser Vorschrift: Die schenkweise Einräumung einer Unterbeteiligung an einer KG, durch die der Beschenkte die Stellung eines Mitunternehmers erlangt, ist auch dann nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigt, wenn der Beschenkte nach einem Widerruf der Schenkung für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, nach § 29 Abs. 2 ErbStG wie ein Nießbraucher zu behandeln ist. Mithin ordnet § 29 Abs. 2 ErbStG lediglich eine Beschränkung der ursprünglich steuerpflichtigen Schenkung auf den verbleibenden Nutzungsvorteil an. Der ursprüngliche Erwerb besteht dagegen in gemindertem Umfang weiter.
Im Streitfall räumte ein Mitunternehmer mehrerer KGs seiner Tochter unentgeltlich je eine Unterbeteiligung an seinen Beteiligungen dergestalt ein, dass sie jeweils zur Mitunternehmerin wurde. Der Vater behielt sich innerhalb der notariellen Schenkungsverträge ein Widerrufsrecht unter anderem für den Fall vor, dass ihm nach Vertragsschluss ein weiterer oder mehrere weitere leibliche eheliche Abkömmlinge geboren werden oder Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes oder des Bewertungsgesetzes verabschiedet werden, die zu einer gänzlichen oder teilweisen unmittelbaren oder mittelbaren geringeren Belastung der Vermögensübertragung führen. Das Finanzamt gewährte hinsichtlich dieser Übertragungen die Vergünstigungen nach § 13a ErbStG.
Im Jahr 2009 erklärte der Vater im Hinblick auf das am 01.01.2009 in Kraft getretene Erbschaftsteuerreformgesetz gegenüber seiner Tochter den Widerruf der Schenkung von 95 % einer einzelnen Unterbeteiligung. Im Jahr 2011 schloss er mit ihr eine Vereinbarung über die Rückübertragung der Unterbeteiligung: Die Tochter sollte mit wirtschaftlicher Wirkung auf den vereinbarten Stichtag im Jahr 2011 den entsprechenden Teil der Beteiligung zurück auf ihren Vater als Hauptbeteiligten übertragen; die Gewinnanteile, Zinsen und sonstigen Nutzungen, die bis zur Rückübertragung bezüglich des durch den Widerruf betroffenen Anteils an der Unterbeteiligung bis zum Stichtag entstanden sind, verbleiben der Unterbeteiligten.
Daraufhin versagte das Finanzamt die Anwendung des § 13a ErbStG. Durch den Widerruf der Schenkung durch den Vater sei die Mitunternehmerstellung der Tochter rückwirkend entfallen. Die Steuerbegünstigung des § 13a ErbStG könne daher für den Nießbrauch an den Gesellschaftsanteilen nicht mehr zur Anwendung kommen. Finanzgericht und BFH sahen dies jedoch anders: die Steuerbegünstigung ist auch auf die von der Unterbeteiligten bis zum Widerruf der Schenkung gezogenen Nutzungen, die nach § 29 Abs. 2 ErbStG der Besteuerung zugrunde gelegt wurden, zu gewähren.
Umstritten ist, wie die Besteuerung des Nutzungsvorteils nach § 29 Abs. 2 ErbStG in steuersystematischer Hinsicht einzuordnen ist. Der BFH folgt insoweit der wohl herrschenden Meinung. Danach beinhaltet § 29 Abs. 2 ErbStG keine Regelung für einen neuen Erwerbstatbestand in Gestalt eines fiktiven Nießbrauchs, sondern nur die Klarstellung, dass eine Erstattung der Steuer insoweit nicht in Betracht kommt, als dem Erwerber die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben und er somit bereichert bleibt. Die Vorschrift ordnet lediglich eine Beschränkung der ursprünglich steuerpflichtigen Schenkung auf den verbleibenden Nutzungsvorteil an. Der ursprüngliche Erwerb besteht in den Fällen des § 29 Abs. 2 ErbStG in gemindertem Umfang weiter. Die anderslautende Ansicht der Finanzverwaltung (R E 29 ErbStR 2019) verwirft der BFH.
Mithin wird der ursprüngliche Erwerb nicht durch einen kraft Gesetzes fiktiven Nießbrauch ersetzt, sondern die erlöschende Steuer lediglich um den Betrag gekürzt, den der Erwerber an Steuern zu zahlen gehabt hätte, wenn ihm statt des zugewendeten Gegenstandes lediglich ein befristetes Nießbrauchsrecht zugewendet worden wäre. Es bleibt bei der Besteuerung des ursprünglichen (begünstigten) Zuwendungsgegenstandes – im Streitfall der mitunternehmerischen Unterbeteiligung ‑, der angesichts der späteren Herausgabe lediglich ein niedrigerer Wert beigemessen wird.
Auch hat das Finanzgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Tochter im Zeitraum zwischen der schenkweisen Übertragung der Unterbeteiligung und deren Rückübertragung Mitunternehmerin blieb. Denn da der Widerruf der Schenkungen durch den Vater mit Wirkung zum vereinbarten Stichtag im Jahr 2011 erfolgte, entfiel ihre Mitunternehmerstellung durch den Widerruf entgegen der Auffassung des Finanzamtes nicht rückwirkend.