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Dieser Artikel wurde verfasst von: Heino Tunnat, Liliane Kleinert, Patrick Bernd Findeis

Neue Grundsteuer: Nachweis niedrigerer gemeiner Werte im sog. Bundesmodell


Update: 

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 vom 02.12.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 387) wurde die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts für das Bundesmodell gesetzlich festgeschrieben und in § 220 BewG ein neuer Absatz 2 angefügt. 

Danach ist der niedrigere gemeine Wert als Grundsteuerwert anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der nach den einschlägigen Vorschriften ermittelte Grundsteuerwert erheblich von dem gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit im Feststellungszeitpunkt abweicht. Davon ist auszugehen, wenn der Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 % übersteigt. Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses i.S.d. Baugesetzbuchs oder eines zertifizierten Sachverständigen herangezogen werden. Ferner kann als Nachweis auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreis über die zu bewertende wirtschaftliche Einheit dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Hauptfeststellungszeitpunkt unverändert sind. Der Nachweis einzelner Bewertungsgrundlagen, z.B. einer geringeren Miethöhe mittels Mietwertgutachten
oder eines niedrigeren Bodenrichtwerts, ist nicht ausreichend. 

Es wurden also die vom BFH entwickelten und kurzfristig von den Ländern übernommenen Grundsätze auch ins Gesetz überführt. 

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In Kürze

Nach Beschlüssen des BFH ist das verfassungsrechtliche Übermaßverbot zumindest dann verletzt, wenn der pauschal festgestellte Grundsteuerwert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt. Das heißt, ist der Grundsteuerwert multipliziert mit 0,714 größer als der gemeine Wert, kommt der Ansatz des gemeinen Werts in Frage. Diese Voraussetzung übernehmen auch die aktuellen Ländererlasse. Ob die Grundsätze der BFH-Beschlüsse, die das Grundvermögen betreffen, auch für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (LuF) anwendbar sind, geht aus den aktuellen Ländererlassen nicht eindeutig hervor. Details, insbesondere über die Anforderungen an den Nachweis des gemeinen Werts, finden sie nachfolgend unter den jeweiligen Überschriften.

Die BFH-Beschlüsse

Der BFH hatte bezüglich des sog. Bundesmodells zur neuen Grundsteuer mit Beschlüssen vom 27.05.2024 in zwei Fällen Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuerwertbescheides gewährt. Denn zumindest bei summarischer Prüfung war nicht auszuschließen, dass die Antragsteller jeweils aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ihrer Grundstücke mit der erforderlichen Abweichung zu den festgestellten Grundsteuerwerten erfolgreich führen könnten (siehe unseren Insight vom 14.06.2024).


Die Reaktion der Finanzverwaltung

Überraschend schnell reagierte die Finanzverwaltung auf diese Beschlüsse mit koordinierten Ländererlassen vom 24.06.2024. Zwar sind Billigkeitsmaßnahmen bei der Feststellung von Grundsteuerwerten grundsätzlich ausgeschlossen. Soweit die pauschale Grundsteuerwertermittlung allerdings im Einzelfall gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstößt, ist eine verfassungskonforme Auslegung der angewendeten Bewertungsvorschriften vorzunehmen. Deshalb ermöglicht die Finanzverwaltung für das sog. Bundesmodell unter bestimmten, eng definierten Voraussetzungen den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts und damit auch einer entsprechenden Aussetzung der Vollziehung des auf pauschalen Werten basierenden Grundsteuerwertbescheides.


Gilt die 40%-Grenze nur für das Grundvermögen oder auch für Betriebe der LuF?

Die BFH-Beschlüsse betreffen Fälle des Grundvermögens. Die aktuellen Ländererlasse sprechen einerseits vom „Siebenten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes“ bzw. von einem „Unterschied zwischen dem gemäß §§ 218 ff. BewG ermittelten Grundsteuerwert und dem gemeinen Wert“, andererseits vom „Grundvermögen“. Ersteres beinhaltet Betriebe der LuF, Letzteres nicht. Da eine verfassungskonforme Auslegung alle Vermögensarten umfasst, erscheint eine Beschränkung der 40%-Grenze auf das Grundvermögen nicht zielführend.


Anforderungen an den Nachweis

Es reicht allerdings nicht aus, den niedrigeren Wert nur darzulegen, der Steuerpflichtige muss diesen auch nachweisen. Dies kann durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten bzw. entsprechend akkreditierten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken erfolgen. Als Nachweis kann ebenfalls ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreis dienen. Bedingung ist insoweit, dass die maßgeblichen Verhältnisse der wirtschaftlichen Einheit zum Erwerbszeitpunkt gegenüber den Verhältnissen am Hauptfeststellungszeitpunkt unverändert sind.


Korrektur auch ohne Einspruch möglich

In Fällen, in denen der Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 % übersteigt, aber kein Einspruch gegen den Bescheid eingelegt und dieser deshalb bestandskräftig wurde, kommt möglicherweise eine Korrektur im Rahmen der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung in Betracht. Dazu muss die Wertfortschreibungsgrenze von EUR 15.000 überschritten sein.


Aussetzung der Vollziehung von Grundsteuerwertbescheiden

Schließlich ist nach den Ländererlassen im Hinblick auf die o.g. Beschlüsse des BFH ab sofort auch Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung von angefochtenen Grundsteuerwertbescheiden zu entsprechen. Insoweit muss jedoch schlüssig dargelegt werden, dass die 40 %-Grenze erreicht wird. Ein Verkehrswertgutachten ist zum Zeitpunkt des Antrags zwar noch nicht vorzulegen, aber in einer vom Finanzamt festgesetzten angemessenen Frist einzureichen. „Vorbehaltlich anderweitiger Erkenntnisse“ sollen regelmäßig 50 % des Grundsteuerwerts von der Vollziehung ausgesetzt werden.




Heino Tunnat

Heino Tunnat

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner,
M&A Real Estate Tax
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Liliane Kleinert

Liliane Kleinert

Steuerberaterin, Direktorin, M&A Real Estate Tax
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Dieser Artikel wurde verfasst von

Heino Tunnat
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M&A Real Estate Tax