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Verbesserungspotenzial in den IFRS Primary Statements – Dauerbrenner und Quick Wins

Grundsätzliche Beobachtungen

Die Erstellung und Prüfung von IFRS-Abschlüssen halten eine ganze Reihe inhaltlicher, fachlicher und auch redaktionell-formeller Herausforderungen für die involvierten Parteien bereit. Diese reichen von der erforderlichen Informations-Vollständigkeit über Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisfragen in den so genannten „primary financial statements“ bis hin zur Konsistenz dieser Informationen mit den nach IFRS geforderten Angaben im Anhang („notes“). Aus diesen Komplexitäten können mitunter wesentliche Risiken für Ersteller sowie die verantwortlichen Wirtschaftsprüfer und deren Engagement-Teams resultieren. Die nachfolgend geschilderten Sachverhalte dienen der beispielhaften Erläuterung dieser Herausforderungen, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 

Speziell bei Unternehmen, die nicht über eine größere Rechnungswesen-Abteilung verfügen, ist mangelnde Informations-Übersichtlichkeit und Vollständigkeit ein oft wiederkehrendes Thema. Fehlen in zeitlicher Nähe zum Aufstellungs- bzw. Testatsdatum etwa noch wichtige Berichts- beziehungsweise Vorjahreszahlen, so muss die erforderliche Komplettierung und deren Prüfung unter für alle Parteien signifikantem Zeitdruck erfolgen, was ggf. die Fehleranfälligkeit des „Endprodukts“ erhöhen kann. 

Da die IFRS dem Grundsatz der „Entscheidungsnützlichkeit“ („decision usefulness“) unterliegen, ist außerdem eine fachlich korrekte Sprache im gesamten Abschluss sowie eine einheitliche (auch zwischen den verschiedenen Abschlussbestandteilen konsistente) Verwendung feststehender Termini unabdingbar. Die Verwendung unternehmensspezifischer Begriffe und Abkürzungen, ohne dass diese für externe Abschlusslesende hinreichend erläutert würden, erschwert hingegen die Nachvollziehbarkeit signifikant. 

Eine besondere Herausforderung besteht, wenn Unternehmen mehrere Abschluss-Versionen in jeweils unterschiedlichen Sprachen veröffentlichen, etwa auf Deutsch und auf Englisch. Auch wenn Unternehmen i.d.R. darauf hinweisen, welche sprachliche Version im Zweifelsfall rechtlich ausschlaggebend ist und fremdsprachliche Übersetzungen offen als nicht bindende, so genannte „convenience translations“ gekennzeichnet werden, sollte dennoch auf eine 1:1-Abstimmbarkeit der zweitsprachlichen Version zum Original geachtet werden, da grobe Übersetzungsfehler bzw. offensichtlich falsche Darstellungen in einer (auch der „convenience“-) Fassung unbequeme Rückschlüsse auf die Qualität des Aufstellungs- bzw. Prüfungsprozesses zulassen.

Primäre Abschlussbestandteile

In der Bilanz, der Gesamtergebnis-, Eigenkapitalveränderungs- und Kapitalflussrechnung („primary financial statements“) fallen vereinzelt so genannte Leerposten auf. Hierunter versteht man Posten, die in keiner der berichteten Perioden Beträge ausweisen. Wenn zum Beispiel weder im Berichts- noch im dargestellten Vergleichsjahr nicht-beherrschende Anteile am Konzern beteiligt waren, oder aber die Bilanzierung von Sachanlagen und abnutzbaren immateriellen Vermögenswerten zu fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten und nicht nach der (erfolgsneutralen) Neubewertungsmethode erfolgte, ist u.E. im Sinne der Informationsnützlichkeit auf einen Ausweis entsprechender Eigenkapital-Posten zu verzichten und sind nicht etwa Leerposten darzustellen. 

Andererseits darf in der Gesamtergebnisrechnung („statement of comprehensive income“) auf die Pflichtangabe, welche Posten zukünftig erfolgswirksam „recycled“ werden und welche nicht, nicht verzichtet werden, auch wenn im Unternehmen nur die eine oder die andere Postenart vorkommt. 

In der Praxis kommt es außerdem vor, dass in der Gewinn- und Verlustrechnung Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen auch bei Verwendung des Umsatzkostenverfahrens in den sonstigen betrieblichen Erträgen ausgewiesen werden. Dies entspricht nicht der IFRS-Konvention, solche Posten den ursprünglichen Aufwandsarten wieder gutzuschreiben. Ebenso ist es grundsätzlich nicht IFRS-konform, Personalaufwendungen im Zusammenhang mit Restrukturierungen bei Verwendung des Umsatzkostenverfahrens nicht den Funktionskosten (Umsatz-, Vertriebs- und Verwaltungskosten) zuzuweisen, sondern den sonstigen betrieblichen Aufwendungen. Diese Vorgehensweise ist in der Praxis zwar nicht unüblich. Geschieht dies allerdings, ohne dass im Anhang zumindest darauf hingewiesen wird, birgt dies aufgrund der potenziellen Verzerrung kapitalmarktrelevanter Ergebnisgrößen (bspw. Bruttoergebnis und Brutto-Marge) ein nicht unwesentliches Enforcement-Risiko. Zumal eine „undue-cost-and-effort“-Ausnahme bei modernen Reporting-Systemen kaum gelten dürfte.  

Anhang (allgemeiner Teil)

Im „narrativen Teil“ des Anhangs beschränkt sich die Praxis oftmals darauf, die zugrundeliegenden IFRS-Rechnungslegungs-Standards lediglich 1:1 wiederzugeben, ohne dass deren (ggf., aber nicht zwingend vorhandene) Relevanz für das Unternehmen erläutert wird. Dieser „Accounting-Policies“-Teil des Anhangs („Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden“) erweckt daher oftmals den Eindruck, als empfänden ihn die Ersteller lediglich als lästige „Compliance-Übung“. Hier greift u.E. der Grundsatz „Weniger, dafür präziser und unternehmensrelevant, ist mehr“. So banal das klingen mag: Für das berichtende Unternehmen wesentlichere Sachverhalte bedürfen ausführlicherer Angaben als unwesentlichere. Das gilt auch bzw. besonders für die Angaben zu Ermessensentscheidungen, Schätzungen und Unsicherheiten nach IAS 1.

Die Angaben zu den im Berichtsjahr neu bzw. noch nicht angewendeten Standards und Interpretation sowie die relevanten Agenda-Entscheidungen des IFRS IC sind in der Praxis oftmals mit Bezug auf letztere unvollständig. Im Juli 2024 hat bspw. das IFRS-IC eine endgültige Agenda-Entscheidung zu IFRS 8.23 veröffentlicht, nach der wesentliche Aufwands- und Ertrags-Posten, die in die Management-relevanten Segment-Performance-Größe einfließen, im Anhang gesondert anzugeben sind. Da Agenda-Entscheidungen mit Veröffentlichung anwendbar sind (der Standardsetter geht aber davon aus, dass die Umsetzung innerhalb eines „angemessenen Zeitraums“ erfolgen soll, also i.d.R. nicht länger als ein halbes Jahr auf sich warten lassen sollte), sind abschlussrelevante Agenda-Entscheidungen, auch aus Enforcement-Gesichtspunkten, zwingend im Anhang anzugeben. 

Anhang: Angaben zu einzelnen Abschlussposten

Auch im „Zahlenteil“ des Anhangs, also bei den Angaben zu individuellen Abschlussposten, gibt es Verbesserungspotenzial. Ein zentrales, weil (wiederkehrendes) Enforcement-Fokus-Thema sind die Angaben zu Werthaltigkeitsprüfungen nicht-finanzieller Vermögenswerte sowie die dazugehörigen Anhangangaben nach IAS 36. In der Praxis ist eine Konzentration auf die Geschäfts- oder Firmenwerte („Goodwill“) erkennbar, auch dann, wenn diese im Verhältnis zu anderen IAS-36-relevanten Vermögenswerten wie bspw. zu selbsterstellten immateriellen Vermögenswerten (etwa aktivierten Entwicklungskosten), signifikant weniger wesentlich sind. Es sollte daher auf angemessene Konsistenz zwischen der praktischen / betraglichen Relevanz der zugrundeliegenden Sachverhalte für das berichtende Unternehmen und dem Umfang der entsprechenden Anhangangaben geachtet werden.

Speziell bei den Angaben zum Goodwill-Impairment-Test sind die Erläuterungen zur Ableitung der zugrundeliegenden Annahmen häufig wenig aussagekräftig und die Angaben werden auf allgemeine bzw. Tendenzaussagen beschränkt. Ebenso fehlen teilweise auch für eindeutig ergebnis- und cashflow-schwache zahlungsmittelgenerierende Einheiten die nach IAS 36 eigentlich verpflichtenden Sensitivitätsanalysen, obwohl dies im entsprechenden Unternehmenskontext eigentlich naheliegend wäre, ohne dass sich im Abschluss eine Begründung hierfür ableiten ließe. Dies stellt u.E. einen signifikanten Angriffspunkt für die BaFin dar und kann, sollte die Unterlassung nicht ausreichend mit Nachweisen untermauert sein, ein Grundstein für spätere Fehlerfeststellungen einschließlich berufsrechtlicher Konsequenzen für die verantwortlichen Wirtschaftsprüfer sein. Hier empfiehlt sich eine proaktive und „rollierende“ Dokumentation, um für potenzielle Enforcement-Prüfungen auch im Fall ggf. signifikanter Personalfluktuationen beim Ersteller bzw. beim Wirtschaftsprüfer jederzeit gewappnet zu sein („Enforcement readiness“).

Bei bestimmten zahlenmäßigen Anhangangaben kommt es mitunter zur Verschleierung wesentlicher Informationen durch überzogene Aggregation: Bei „sonstigen“ Bilanz- und Ergebnis-Posten kommt es gelegentlich vor, dass die Restposten „Übrige“ einen unverhältnismäßig hohen Prozentsatz darstellen, ohne dass nachvollziehbar wäre, ob es sich hier tatsächlich um individuell unwesentliche, nicht weiter disaggregierbare Posten handelt. 

Bei den Angaben zu den Umsatzerlösen nach IFRS 15 fehlt teilweise die von der ESMA als Prüfungsschwerpunkt festgelegte Überleitung des Auftragsbestands gemäß IFRS 15.120. Bei den Angaben zu latenten Steuern nach IAS 12 ist die Begründung, warum trotz einer Verlusthistorie des Unternehmens bzw. des Konzerns, aktive latente Steuern auf Verlustvorträge erfasst wurden, wenn vorhanden, für den außenstehenden Abschlussnutzer nicht ausreichend nachvollziehbar. Auch die gemäß IFRS 12 geforderten aggregierten Finanzdaten individuell unwesentlicher At-Equity-Beteiligungen, wenn diese Unternehmen zusammen einen für den Konzern wesentlichen Umfang haben, werden in der Praxis mitunter vernachlässigt. 

Darüber hinaus bieten die Angaben zu Finanzinstrumenten nach IFRS 7 Verbesserungspotenzial: 

  • Bei den Angaben zu Buch- und beizulegenden Zeitwerten von Finanzinstrumenten fällt auf, dass gerade bei langfristigen, zu fortgeführten Anschaffungskosten bilanzierten, verzinslichen Verbindlichkeiten entweder keine beizulegenden Zeitwerte genannt werden oder aber die Buchwerte den beizulegenden Zeitwerten entsprechen. Da die Buchwerte durch Diskontierung mit dem Effektivzins ermittelt werden, die beizulegenden Zeitwerte durch Diskontierung der ausstehenden Cashflows mit dem aktuellen Marktzinssatz, sollte dies eigentlich nicht vorkommen. 
  • Außerdem verlangt IFRS 7 Angaben zur Saldierung von Finanzinstrumenten. Eignen sich Saldierungsvereinbarungen, etwa bei „Master-Netting-Agreements“ für Derivate, nicht zur Saldierung in der Bilanz, so sind im Anhang doch verpflichtend saldierte Angaben zu machen.

Schließlich sind auch die nach IAS 1.134ff vorgeschriebenen Angaben zum Kapitalmanagement manchmal eher rudimentär, speziell bezüglich quantitativer Angaben über die im Rahmen des Kapitalmanagements verwendeten Parametern und Maßgrößen.

Fazit

Wie vorhergehend dargestellt, besteht bei allen Abschlussbestandteilen, speziell aber bei den Angaben im Anhang, mitunter nicht unwesentliches Verbesserungspotenzial, sowohl was die Vollständigkeit, die Relevanz, aber auch den eigentlichen Inhalt und die Konsistenz angeht. Fehlerhafte bzw. unvollständige Abschlussinformationen ziehen für die Ersteller potenzielle Enforcement-Risiken in Form von BaFin-Fehlerfeststellungen nach sich, denen für die Wirtschaftsprüfer ggf. berufsrechtliche Konsequenzen durch WPK und APAS nachgelagert sind. 

Daher ist zu empfehlen, die Abschlusserstellung und -prüfung proaktiver zu gestalten. Wo immer möglich, sollten Spezialisten von IFRS-Grundsatzabteilungen des Wirtschaftsprüfers bereits frühzeitig einbezogen werden, um Reporting-Risiken frühzeitig zu identifizieren und noch vor der eigentlich „heißen Phase“ adressieren zu können. Ein erster Check der Abschluss- bzw. speziell Anhangs-Qualität durch seniores Personal sowohl auf Unternehmens- als auch auf Prüferseite sollte bereits signifikant vor dem eigentlichen Abschluss-Stichtag erfolgen, ggf. durch Erstellung eines Probeabschlusses einschließlich Anhang („Dry-Run“) und Abarbeitung einer entsprechenden Anhangs-Checkliste. Dies kann signifikant zur Qualitätsverbesserung bei Erstellung und Prüfung beitragen und in der „heißen Phase“ zur Entlastung beitragen.

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